Tag 544. darf.

Am meisten regte sich Koch Jurajda auf: »Darf man denn auf Waggons vom Roten Kreuz schießen?«

»Man darf nicht, aber man kann«, sagte Schwejk. »Es war jedenfalls ein guter Schuß, und jeder redet sich dann aus, daß es in der Nacht war und daß das Rote Kreuz nicht zu sehn gewesen is. Es gibt überhaupt viel Sachen auf der Welt, was man nicht machen darf, aber machen kann. Hauptsache is, daß jeder probiert, obs ihm gelingt, und wenn ers nicht darf, ob ers kann. Bei den Kaisermanövern in Pisek is so ein Befehl gekommen, daß man die Soldaten am Marsch nicht krummschließen darf. Aber unser Hauptmann is drauf gekommen, daß mans darf, weil so ein Befehl schrecklich is, denn jeder hat leicht begreifen können, daß ein krummgeschlossener Soldat nicht marschieren kann. Er hat also den Befehl eigentlich nicht umgangen, hat einfach und vernünftig die krummgeschlossenen Soldaten in die Trainwagen werfen lassen, und man is mit ihnen weitermarschiert. Oder so ein Fall is in unserer Gasse vor fünf, sechs Jahren passiert. Dort hat ein gewisser Herr Karlik im ersten Stock gewohnt. Um einen Stock höher hat ein sehr braver Mensch gewohnt, ein Konservatorist, ein gewisser Mikesch. Der hat sehr gern Weiber gehabt, und unter andern hat er auch angefangen, der Tochter von diesem Herrn Karlik nachzusteigen, was ein Spediteurgeschäft gehabt hat und eine Zuckerbäckerei und auch irgendwo in Mähren unter irgendeiner ganz fremden Firma eine Buchbinderei. Wie dieser Herr Karlik erfahren hat, daß dieser Konservatorist seiner Tochter nachlauft, so hat er ihn in der Wohnung besucht und hat ihm gesagt: ›Sie dürfen sich meine Tochter nicht nehmen, Sie Haderlump, Sie. Ich gib sie Ihnen nicht!‹ – ›Gut‹, hat ihm der Herr Mikesch geantwortet, ›was soll ich machen, wenn ich mir sie nicht nehmen darf, soll ich mich zerreißen?‹ In zwei Monaten is der Herr Karlik wiedergekommen und hat sich seine Frau mitgebracht und beide ham ihm einstimmig gesagt: ›Sie Klachl, Sie ham unsre Tochter um die Ehre gebracht.‹ – ›Gewiß‹, hat er ihnen drauf geantwortet, ›ich hab mir erlaubt, sie zu einer Hure zu machen, gnä Frau.‹ Der Herr Karlik hat angefangen, überflüssig auf ihn zu brülln, daß er ihm doch gesagt hat, daß er sich sie nicht nehmen darf, daß er ihm sie nicht gibt, aber er hat ihm ganz richtig geantwortet, daß er sich sie auch nicht nehmen wird und daß damals keine Rede davon war, was er mit ihr machen kann. Daß sichs nicht drum gehandelt hat, und er, daß er Wort hält, sie solln ohne Sorgen sein, daß er sie nicht will, daß er ein Charakter is, daß er nicht is wie ein Strohhalm im Wind und daß er Wort hält, daß, wenn er etwas sagt, so is es heilig. Und wenn er deswegen verfolgt wern wird, daß er sich nichts draus macht, weil er ein reines Gewissen hat und seine selige Mutter ihn noch am Totenbett beschworen hat, daß er nie im Leben lügen soll und daß er ihr die Hand drauf gegeben hat und daß so ein Schwur gilt. Daß in seiner Familie überhaupt niemand gelogen hat und daß er immer in der Schule aus sittlichem Betragen die beste Note gehabt hat. Also da sehn sie, daß man Verschiedenes nicht darf, aber kann und daß die Wege verschieden sein können, nur Willen müssen wir den gleichen ham.«

Jaroslav Hašek: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

 

8 Kommentare

  1. Schwejk, er macht mich a bissl wirr im Kopf! Hab ich mir schon vor dem Krieg gedacht, dass er sich so eine Art hat, der Schwejk. Man möcht einen Schnaps und sich sammeln und es noch amal lesen.

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      1. Hab ich gehorsamt geblättert und gelesen hab ich auch, aber es ist mir schon beim erschlagenen Ferdinand gleich schwindlig geworden, weil der Schwejk sich da von einem zum anderen kommt und nicht mehr zum reden nicht aufhört.

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