Tag 762. Behagen.

Ältere Zeiten machen oft den Eindruck, als wären sie, in der eigenen Tüchtigkeit befangen, gar nie auf den Gedanken gekommen, sich behaglicher zurecht zu setzen; und als hätten die Menschen damals ihr ganzes Leben hindurch gezwungene Körperstellungen eingenommen, ohne dessen recht inne zu werden. Aber in Wahrheit lebten sie doch bequemer, wenn auch nicht das Behagen als ein direktes Ziel ins Auge fassend, was man erst kann, wenn man schon dem Leben untreu geworden ist, es demnach mehr arrangiert als lebt. Und freilich jetzt von außen jeden Fehler im Arrangement bemerkend und geschickt behebend, allerdings ohne damit zum Behagen jemals zu gelangen: denn dieses liegt im Leben und nicht daneben.
Heimito von Doderer, Die Strudlhofstiege – Oder Melzer und die Tiefe der Jahre

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